GESAMTSCHULE BREMEN OST Europäisches Bildungsprojekt Schj. 1998/99
Jochen Hestermann Die Renaissance


DER ERBHOF VON THEDINGHAUSEN

Der Ort Thedinghausen gehörte seit dem 11.Jh. zum Besitz der Bremer Erzbischöfe, die hier im 13. Jh. die heute nicht mehr erhaltene Wasserburg Thedinghausen errichteten. Die Anlage wurde in der Folgezeit schwer umkämpft. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen dem Bremer Bischof, den Grafen von Hoya und der Bremer Bürgerschaft, die das Gelände in Pfandbesitz nahm und erst 1560 aqn die Kirche abgeben mußte. Im Ort befanden sich seit dem Mittelalter vier Burgmanns- und Adelshöfe. Solche Burgmannshöfe nahmen in ersterLinie Schutzfunktionen für das Territorium wahr.Der Landesherr übertrug ausgewählten Adligen große Höfe als Lehen und erwartete als Gegenleistung von den Belehnten in Kriegszeiten und bei Überfällenderen Beistand.


Der Adelssitz auf der östlichen Seite Thedinghausens war zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Lehen des Drosten Heinrich von Hermeling und ging nach seinemTod 1614 in den Besitz seiner Witwe Gertrud von Hermeling über. Diese verkaufte das Gut an ihren Geliebten, den Bremer Erzbischof Johann Friedrich von Holstein-Gottorp, der dort 1619 das heute bestehende Schloß Thedinghausen errichten ließ.
Der einflügelige Bau liegt auf einer fast quadrischen Insel, die von Wassergräben begrenzt war (heute zugeschüttet). Ungewöhnlich für Bauten der Weserrenaissance ist die Backsteinbauweise, die wohl auf Bremer Einfluß zurückzuführen ist. Die beiden Geschosse werden durch ein den gesamten Bau umziehendes Gesims voneinander getrennt. Die Gebäudekanten sind durch Schmuckquader mit Kerbschnittverzierung betont. Besonders reich geschmückt sind die Fenstergewände mit Beschlagwerk, Früchten, floralen Formen oder Masken. An der südlichen Schaufront treten drei Vorbauten weit vor die Fassadenflucht. Der mittlere dient als Treppenturm. Das Portal links vom Treppenturm führt in die ehemalige im Untergeschoss gelegene Küche. Die Kartusche mit der Jahreszahl "Anno 1620" über dem Eingang dürfte die Fertigstellung des Untergeschosses angeben. Dem Portal zum Treppenturm, das zugleich Haupteingang des Schlosses ist, fehlt die sicherlich ehemals vorhandene Inschrift in dem leeren Friesstreifen über der rundbogigen Tür; auch die Kartusche darüber ist heute ohne Wappen. Das Innere des Gebäudes war im 17. Jh. in beiden Etagen jeweils nur in zwei grosse Räume unterteilt, die beide vom Treppenturm aus zu erreichen sind. Sowohl an der östlichen als auch an der westlichen Giebelseite liegt je ein Kamin, der an der östlichen Außenmauer durch einen kleinen Mauervorsprung auch zu erkennen ist, und die es offensichtlich gestatteten, alle Wohnräume im Inneren zu beheizen. 1986 wurde eine bis dahin vermauerte Tür, die vom Treppenturm in einen der Räume des ersten Hauptgeschosses führte, wiederentdeckt. Die Rahmung hat fast vollständig eine farbige Fassung - rot, weiß, grünlich, schwarz und blau-grau - bewahrt, die noch aus dem 17. Jh. stammt. Auch am Außenbau wurden an geschützten Stellen Reste einer blauen Farbgebung gefunden. (aus: Gabriele Brasse, Strasse der Weserrenaissance, Niemeyer,Hameln 1991, Seite 28/29)

Es ist einer der eindrucksvollsten herrschaftlichen Ansitze im Bremer Umland. Das Schloß liegt inmitten der niederdeutschen Tiefebene, die mit ihrer flachen Weidelandschaft den Raum südlich Bremens bestimmt.
Dieser Erbhof ist ein rechteckiger, zweigeschossiger Backsteinrohbau, der durch einzelne Quader bereichert ist, und an der Hoffront drei vom Hauptbaukörper hervortretende Teile mit eigenem Dach und Giebel, sogenannte Risalite, von denen der Mittlere als Treppenaufgang dient, besitzt. Die Risalite werden durch Pilaster, also flach aus der Wand heraustretende Wandpfeiler, vertikal gegliedert (Toma Babovic u.a., Die Weser und die Weserrenaissance,Ellert und Richter, Hamburg 1994, S. 76).

Sämtliche in der Weserrenaissance auftretende Bossensteinornamente kehren hier wieder, außerdem quadrische und Rautenmuster.

"Rechteckiger, zweigeschoßiger Backsteinrohbau (neben Neustadt am Rübenberge einzigartig in der Weserrenaissance) mit drei gleichgroßen, rechteckigen Ausluchten an der Hoffront, von denen die mittlere als Treppenhaus mit geraden Läufen und Podesten ausgebildet ist. Auf die Ausluchten und die beiden Stirngiebel mit dem bizarren Umriß der Weserrenaissance, der jedoch Staffeln nicht mehr erkennen läßt, konzentriert sich eine reiche Sandsteingliederung mit vielfältigem Ornament. Auffallend die Eckquadern mit dem Bossensteinornament. Sämtliche in der Weserrenaissance üblichen Bossensteintypen kehren hier wieder, außerdem quadrische und Rautenmuster (Abb. 264-267). Die Ausluchten werden durch dekorativ aufgelöste Pilaster vertikal gegliedert und zeigen in den Brüstungen Medaillonköpfe in Kartuschenrahmen: Damen und Herren in der Tracht des beginnenden 17. Jh., Krieger und Narren.
In den Einzelformen, vor allem an den Portalen und Fenstern, kündigt sich deutlich der Barock an.
Die zwei- und dreigekuppelten Fenster haben aufgelegte Einrahmungen. Ihre Gewände und Pfosten sind reich skulptiert und zum Teil mit figürlichem Schmuck versehen und Stehen auf einer profilierten Sohlbank, die ihrerseits wieder auf Konsolen ruht, über denen die Gesimsglieder gekröpft sind und zwischen denen Ornament aufgelegt ist. Ein gesprengter Giebel und volutenartiges Ornament bekronen die Fenster oberhalb des als Gesims gestalteten Sturzes. Das rundbogig geschlossene Portal neben der linken Auslucht ist als Pilaterädikula ausgebildet. Auf den dekorativ aufgelösten Pilastern erscheint auch das Bossensteinornament. In dem Oval der barocken Bekrönung befand sich ursprünglich eine Bronzetafel mit Wappen. Im Innern des Treppenhauses Sandsteinportal in originaler Farbgebung: Olivgrün, zartrosa, weiß."
(aus: Herbert Kreft, Jürgen Soenke, Die Weserrenaissance, Niemeyer, Hameln 1964, Seite 283/84)


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